Die
Bundesautobahnstrecke Dortmund – Gießen (Sauerlandlinie) – Ein Beispiel für die
Entwicklung des Autobahnbaues in der Bundesrepublik Deutschland
Der Autobahnneubau konnte in der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg erst in der Mitte der 50er Jahre wieder aufgenommen werden.
Er mußte sich zwangsläufig zunächst darauf geschränken, die in dem vor dem Kriege begonnenen Grundnetz noch bestehenden großen Lücken zu schließen. Bereits 1960 konnte die durchgehende BAB-Strecke Köln – Aachen und 1961 die durchgehende BAB-Strecke Leverkusen – Kamen (Ruhrtangente) dem Verkehr übergeben werden. Erstes großes Ergebnis des BAB-Neubaues nach dem Kriege war dann die Fertigstellung der BAB-Strecke Hamburg – Frankfurt – Basel (Hafraba) im Jahre 1962. Die BAB-Strecke Mannheim – Saarbrücken konnte im Jahre 1963 und ein Jahr später die BAB-Strecke Frankfurt – Nürnberg in Betrieb genommen werden.
All diesen Strecken war gemeinsam, daß die Bauvorbereitungen und teilweise auch die Bauarbeiten oftmals soweit fortgeschritten waren, daß sie der technischen Entwicklung, die seit dem Kriege im Autobahnbau eingetreten war, nicht mehr überall angepaßt werden konnten. Deshalb mußte teilweise der in der Vorkriegszeit hauptsächlich angewendete 24-m-Querschnitt belassen werden, weil der Neubau zu einer Zeit eingestellt wurde, als schon wesentliche Teile der Strecke für diesen Querschnitt ausgelegt waren.
Die vor dem Kriege zwar nur selten auftretenden Verkehrsspitzen zeigten jedoch schon damals, daß an den Autobahnen ein Streifen für das Abstellen von Schad- und Unterhaltungsfahrzeugen erforderlich war. Der 24-m-Querschnitt wurde deshalb bereits Anfang 1939 durch die Anordnung beiderseitiger Standspuren auf 28,50 m erweitert.
Auch für diesen Querschnitt waren schon auf einigen Streckenabschnitten Vorleistungen erbracht, die es im Interesse einer frühen Fertigstellung zweckmäßig erscheinen ließen, von diesem Maß nicht mehr abzuweichen, obwohl auch dieser Querschnitt nicht mehr den neuesten Erkenntnissen entsprach.
Innerhalb der vorgenannten Strecken mußten vereinzelt auch die gemäß der Vorkriegsplanung vorgesehenen Neigungen beibehalten werden.
Zu dieser Zeit bestand auch bereits die Erkenntnis, daß in Steigungen eine größere Fahrspurenanzahl zur reibungslosen Abwicklung des Verkehrs erforderlich werden konnte. Außerdem tauchten bereits vor dem Kriege erste Bedenken gegen die Verwendung langer Geraden im Autobahnbau auf, da sie in landschaftlich weniger gegliederten Gebieten auf den Autofahrer ermüdend wirken. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich später die "geschwungene" Linienführung. Nach der Einstellung des Autobahnbaues im Jahre 1942 war die Entwicklung auf diesem Gebiet nicht stehengeblieben. Namentlich die USA, die schon früh von der Motorisierungswelle erfaßt wurden, haben in dieser Zeit die theoretischen Voraussetzungen für den modernen Autobahnbau vorangetrieben.
Diese zahlreichen Erfahrungen und Entwicklungen wurden, soweit sie sich auf den Querschnitt bezogen, in der im Jahre 1955 veröffentlichten BBA-Q (Bauanweisung für die Bundesautobahnen, Querschnittsgestaltung) zusammengefaßt und als Richtlinie herausgegeben. Diese Richtlinie hat den Autobahnbau bis heute nachhaltig und positiv beeinflußt. Die Prinzipien, die damals für die Querschnittsgestaltung festgelegt wurden (Leistreifen, Standspuren, Kriechspuren) sind heute im Grundsatz noch gültig.
Die ersten nach der Wiederaufnahme des Autobahnbaues im Jahre 1955 gebauten Autobahnstrecken (s.o.) berücksichtigten die neuen Erkenntnisse auf dem Gebiete der Trassierung und die im Deckenbau gesammelten Erfahrungen und weisen erhebliche Verbesserungen in verkehrs- und bautechnischer Hinsicht gegenüber den vor dem Kriege ausgeführten Autobahnen auf.
Die BAB-Strecke Dortmund – Gießen in die erste bedeutende deutsche Autobahnstrecke, die nach dem Kriege völlig neu geplant wurde und bei der keine Rücksicht auf planerische Vorarbeiten oder gar bauliche Vorleistungen aus der Vorkriegszeit genommen werden mußte. Bei dieser Strecke konnten erstmals alle neueren Erkenntnisse über eine zweckmäßige und verkehrsgerechte Linienführung berücksichtigt werden.
Der inzwischen eingeführte gleislose Erdbau zusammen mit den hierfür aufgenommenen leistungsfähigen Großgeräten ermöglichte eine wirtschaftliche Gewinnung und Bewegung großer Erdmassen. Dies wirkte sich auf die Planung und den Bau der Autobahnen aus. Der Umfang der Erdbewegungen spielte nicht mehr wie früher eine ausschlaggebende Rolle für die Führung der Trasse in Grund- und Aufriß. Die Fortschritte, die der Großbrückenbau gemacht hatte, wirkten sich im gleichen Sinne aus. Sie erleichterten oftmals den Entschluß, Täler durch Großbrücken zu überwinden, die früher – finanziell aufwendiger und verkehrlich ungünstiger – ausgefahren werden mußten. Dadurch ist insgesamt eine Linie entstanden, die unter Berücksichtigung der Morphologie des durchfahrenen Geländes sehr großzügig gestaltet ist. Steigungen, Bogenhalbmesser in Grund- und Aufriß usw. lassen im Vergleich zu den etwa ähnliche Geländeverhältnisse durchlaufenden Vorkriegsautobahnen kaum Wünsche offen.
Erste Vorstudien zu einer neuen Verbindung aus dem östlichen Ruhrgebiet in den Raum Frankfurt/Main datieren bereits aus der Vorkriegszeit. Der Strecke war damals die Aufgabe zugedacht, die Industriegebiete des Sauer- und des Siegerlandes sowie des Lahn-Dill-Gebietes mit dem Ruhrgebiet und Norddeutschland einerseits sowie Süddeutschland andererseits zu verbinden.
Der Gedanke wurde in der Mitte der fünfziger Jahre wieder aufgegriffen, als sich zeigte, daß außer der Verbesserung der Anbindung der o.a. Industriegebiete in absehbarer Zeit eine Entlastung der Vorkriegsautobahn Kamen – Oberhausen – Köln – Frankfurt und der erst nach dem Kriege fertiggestellten Strecke Leverkusen – Kamen (der sog. Ruhrtangente) in Form einer weiteren großen Nord-Süd-Verbindung zwischen den beiden großen Ballungsräumen erforderlich würde.
Die Aufnahme verbindlicher Planungsarbeiten für die neue Straßenverbindung wurde im Jahre 1957 von dem damaligen Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm angeordnet. Zu dieser Zeit bestand aber noch keine Klarheit über die Art der zu bauenden Straße. Diskutiert wurden als mögliche Querschnitte sowohl
1. Eine Bundesautobahn mit und ohne Mittelstreifen
2. eine halbseitige Autobahn als vorläufige Ausbaustufe
3. eine Bundesstraße als Kraftwagenstraße.
Die in der Folgezeit durchgeführten Verkehrsuntersuchungen haben dann aber schon bald zu der Entscheidung für den Bau einer Autobahn mit Mittelstreifen geführt. Die Verkehrsbelastungen, die die bereits in Betrieb genommenen Abschnitte der Strecke schon jetzt haben, bestätigen, daß diese Entscheidung richtig war.
Wie bei einem derartigen Bauvorhaben selbstverständlich, wurden für die Linienführung mehrere Varianten untersucht, bevor die Entscheidung für die gewählte Linie getroffen werden konnte. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle das Für und Wider der verschiedenen untersuchten Trassen zu erörtern. Am Rande sei jedoch erwähnt, daß u.a. auch ein teilweises Ausfahren des Siegtales, eine andere Streckenführung im Raum Kalteiche und eine nordöstliche Umgehung von Gießen zur Diskussion standen.
Die gewählte Linie verläuft zunächst in vorwiegend südöstlicher Richtung durch den Ortsteil des Ruhrgebietes. Östlich von Hagen beginnt der Aufstieg auf die Höhen des Sauerlandes bis in den Raum Lüdenscheid. Anschließend verläuft sie im Raum Meinerzhagen – Gummersbach am Rande des Ebbegebirges. Sie erreicht danach das Siegerland, umgeht Siegen westlich und schwingt sich dann zu den Höhen bei Kalteiche, der Wasserscheide zwischen den Einzugsgebieten der Sieg und der Lahn, auf. Von dort senkt sie sich in das Haigerbach- und das Dilltal und verläuft weiter auf den Hängen und Höhen im Bereich des Dilltales. Nach dem Passieren der Osthänge des Wetzlarer Beckens mündet sie am Eingang der Wetterau bei Gambach in die Autobahn Hamburg – Frankfurt – Basel.
Die Strecke zwischen Hagen und Gambach mit den dazwischen liegenden Höchstpunkten bei Meinerzhagen (rd. 532 m üb. NN) und Kalteiche (rd. 504 m üb. NN) wird mit langen Aufstiegsrampen bewältigt.
In Nord-Süd-Richtung sind das
a) der über 36 km lange Aufstieg von Hagen (rd. 106 m üb. NN) in den Raum Lüdenscheid – Meinerzhagen (rd. 532 m üb. NN), Höhenunterschied rd. 426 m, sowie der
b) rd. 16 km lange Aufstieg von Siegen (rd. 324 m üb. NN) bis Kalteiche (rd. 504 m üb. NN). Höhenunterschied rd. 180 m,
in Süd-Nord-Richtung
c) der rd. 24 km lange Aufstieg von Herborn (rd. 204 m üb. NN) bis Kalteiche (rd. 504 m üb. NN), Höhenunterschied rd. 300 m, und der
d) rd. 20 km lange Aufstieg von Olpe (rd. 352 m üb. NN) in den Raum Meinerzhagen – Lüdenscheid (rd. 532 m üb. NN), Höhenunterschied rd. 180 m.
Obwohl für den Verkehrsteilnehmer wahrscheinlich nicht wahrnehmbar, unterscheiden sich der nördliche und der südliche Streckenteil trassierungstechnisch ganz erheblich: Die wenigen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Täler des Sauerlandes und des Siegerlandes (Volme-, Lennetal, Teile des Siegtales) boten in den Bereichen, die für die Aufnahme einer Autobahn infrage kamen, keinen Platz für einen räumlich so aufwendigen neuen Verkehrsweg. Sie waren durch Wasserläuft, durch Wohnsiedlungen und Industrieanlagen, durch Straßen und Eisenbahnen bereits so stark in Anspruch genommen, daß auf den Talsohlen für eine Autobahn kein Platz mehr vorhanden war. Die steilen Talflanken boten ebenfalls keine wirtschaftlich geeigneten Möglichkeiten. Die Linie mußte daher, nachdem sie zunächst in einer durchgehenden Steigung von rd. 17 km Länge auf die Höhen des Sauerlandes bei Lüdenscheid geführt wurde, zwischen Lüdenscheid und Siegen auf rd. 60 km Länge als "Kammlinie" ausgebildet werden. Für das Aufsuchen der Kammlage waren also nicht in erster Linie wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend. Sie hat sich aus der Eigenart des durchfahrenen Geländes und seine Besiedlung zwangsläufig ergeben.
Für die in den Tälern gelegenen Ansiedlungen wurden dadurch oftmals aufwendige Anschlußstellen mit kostspieligen Umbauten und Ergänzungen des örtlichen Straßennetzes erforderlich. Lange Zubringer mußten hier in Kauf genommen werden. Auch die größte Stadt, die an der Strecke liegt – Siegen -, mußte mit einem rd. 5 km langen Zubringer, der rd. 100 m Höhenunterschied überwindet, angeschlossen werden.
Im südlichen Streckenbereich bot die neue Autobahn trassierungstechnisch im Ganzen nicht die Schwierigkeiten wie im nördlichen Teil.
Ein erster Streckenentwurf sah eine Durchfahrung der westlich Dillenburg gelegenen Höhen mittels eines Tunnels vor, um die Anlegung eines Bauerweiterungsgebietes der Stadt Dillenburg nicht zu gefährden bzw. nicht einzuschränken.
Eine nähere Durcharbeitung des Projektes ergab jedoch, daß ein Tunnel in der oberflächennahen Zone des ohnehin gebrächen Gebirges liegen und nur eine verhältnismäßig geringe Erdüberdeckung erhalten würde. Der Gedanke wurde deshalb wieder aufgegeben, obwohl sich durch einen Tunnel eine etwas zügigere Linienführung ergeben hätte. In diesem Bereich mußten dadurch an die Streckenführung einige Konzessionen gemacht werden. Hier liegen mit 600 m auch die kleinsten Halbmesser der gesamten neuen Autobahn. Die bautechnischen Bedenken, die einfachere Streckenwartung und eine erhebliche Einsparung von Baukosten gaben den Ausschlag für eine Führung der Strecke im Einschnitt.
Dagegen haben spezielle Untersuchungen ergeben, daß die allgemeine Anwendung kleinerer Halbmesser im Grundriß keine wirtschaftlichen Vorteile gebracht hätte. Das gleiche gilt sinngemäß für die allgemeine Anordnung größerer Neigungen als 4 %. Hierzu wurde u.a. untersucht, welche wirtschaftlichen Vorteile eine mit Neigungen bis 5 % trassierte Linie gegenüber einer Linie mit nur 4 % erbracht hätte. Die daraus resultierenden Einsparungen erschienen angesichts der zu erwartenden dauernden Nachteile für den Verkehr mit schweren Lkw und die Mehrkosten für erforderlichen Mehrlängen bei den 3-spurigen Richtungsfahrbahnen so gering, daß an den eingeführten Trassierungselementen festgehalten wurde.
Zu dieser Entscheidung trugen nicht zuletzt auch die erweiterten Möglichkeiten des Brückenbaues bei, durch die z.B. die Überquerung des Siegtales bei Eiserfeld mit einer 100 m hohen Talbrücke gegenüber einem Ausfahren des Siegtales unter Einschaltung einer 30 m hohen Talbrücke volkswirtschaftlich vertretbar erschien.
Nachdem etwa 1958 die Entscheidung für den Bau einer Autobahn gefallen war, wurde als Grundquerschnitt für die Strecke der im deutschen Autobahnbau der Nachkriegszeit übliche 30-m-Querschnitt vorgesehen.
Dieser Entscheidung waren eingehende Überlegungen vorausgegangen, bei der auch die Möglichkeiten und finanziellen Auswirkungen eines 6-spurigen Querschnittes geprüft wurden. Ein durchgehend 6-spuriger Querschnitt hätte 12-15 % Mehrkosten erfordert. In Anbetracht der immerhin beträchtlichen Mehrkosten fiel daher die Entscheidung für einen 4-spurigen Grundquerschnitt.
Ein Problem besonderer Art ergab sich aus der Vielzahl solcher Steigungen, bei denen sich aus dem Geschwindigkeits-Weg-Diagramm erkennen ließ, daß für bestimmte Lastwagen ein so starkes Absinken der Geschwindigkeit zu erwarten sein würde, daß die Leistungsfähigkeit der Strecke unmittelbar beeinträchtigt würde. Bei der in derartigen Fällen zur Zeit der Planung noch gebräuchlichen Verbreiterung der Strecke durch Kriechspuren zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit zeigte sich zu dieser Zeit bereits (z.B. an der BAB-Strecke Leverkusen – Kamen), daß diese die in sie gesetzten Erwartungen nur z.T. erfüllten. Die Benutzung konnte aus beschilderungstechnischen Gründen nur Lastwagen bestimmter Gewichtsklassen vorgeschrieben werden, die aber in unbeladenem Zustande oftmals schneller waren als kleinere Fahrzeuge. Die Kriechspuren waren dadurch an den Tagen, an denen nach den deutschen Straßenverkehrsvorschriften der Lkw-Verkehr verboten ist – an denen aber erfahrungsgemäß der stärkste Pkw-Verkehr herrscht – völlig unbenutzt. Zuden war es kaum möglich, die Kriechspuren für jeden erkennbar so zu beschildern, daß sie von allen langsamen Fahrzeugen zu benutzen waren und auch von Pkw benutzt werden durften.
Die am Beispiel der BAB Dortmund – Gießen durchgeführten Überlegungen führten schließlich dazu, zunächst an dieser Strecke und im Anschluß daran an den gesamten deutschen Autobahnneubaustrecken auf Kriechspuren völlig zu verzichten und statt dessen dritte Fahrspuren anzuordnen, die von allen Fahrzeugen benutzt werden können.
Außerdem waren bei der Sauerlandlinie Schwierigkeiten für den Verkehrsfluß aus der großen Zahl der erforderlichen Kriechspuren zu befürchten. Die sich dabei ergebenden dauernden Fahrbahnwechsel des langsamen Verkehrs ließen eine große Unstetigkeit des Verkehrsflusses und somit starke Beeinträchtigungen des gesamten Verkehrs erwarten. Zur Ausschaltung dieser Beeinträchtigungen wurden in einer weiteren Phase der Überlegungen zahlreiche 2-spurige Abschnitte zwischen relativ kurz aufeinander folgenden 3-spurigen Bereichen um eine Fahrspur, die an sich nicht erforderlich war, erweitert. Dadurch entstanden verschiedene lange, zusammenhängende dreispurige Richtungsfahrbahnen. So ist z.B. von Hagen aus die Höhe des Sauerlandes auf einer einzigen, mehr als 40 km langen 3-spurigen Richtungsfahrbahn zu erreichen.
Im hessischen Bereich wurden 3. Fahrspuren, bedingt durch die unterschiedliche Geländeform, nicht im gleichen Umfange erforderlich wie in Nordrhein-Westfalen. Die einzelnen Abschnitte lagen hier weiter auseinander, so daß eine Verbindung derselben aus verkehrlichen Gründen zwar wünschenswert gewesen wäre, aus wirtschaftlichen Gründen jedoch nicht vertretbar erschien.
Insgesamt hat die Sauerlandlinie auf rd. einem Drittel ihrer Gesamtlänge 3. Fahrspuren erhalten. Dadurch wird an Werktagen der Pkw-Verkehr von Behinderungen durch langsamere Fahrzeuge in einem bisher nicht gekannten Ausmaß frei sein. An Sonntagen stehen dem überaus starken Ausflugsverkehr auf der Anfahrt zu den Erholungsgebieten drei Fahrspuren zur Verfügung.
Die BAB-Strecke Dortmund – Gießen verfügt also z.Z. über die längsten 3-spurigen Richtungsfahrbahnen, die das deutsche Autobahnnetz aufzuweisen hat. Die 3-spurigen Richtungsfahrbahnen haben ebenfalls Standspuren erhalten. Liegengebliebene Fahrzeuge können also auch in den 3-spurigen Abschnitten aus dem Verkehr gezogen und seitlich abgestellt werden. Die durch die Anlage der 3. Fahrspuren erreichte größere Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs wird also auch durch liegengebliebende Fahrzeuge nicht gefährdet.
Es wurde jedoch versucht, bei den Großbrücken in den 3-spurigen Abschnitten durch Verzicht auf Standspuren Kosten einzusparen. Nach dem Bau hat sich herausgestellt, daß die sich dadurch auf längeren Strecken ergebende optische Einengung des Straßenquerschnittes, deren Gründe für den Verkehrsteilnehmer nicht erkennbar sind, nicht völlig befriedigt. Die weiteren Erfahrungen mit diesen Brücken im Zuge der BAB-Strecke Dortmund – Gießen werden darüber entscheiden, ob auch in Zukunft von dieser Einsparungsmöglichkeit Gebrauch gemacht werden kann.
Andererseits wurden größere Talbrücken in 2-spurigen Abschnitten, die einer Querschnittsverbreiterung erfahrungsgemäß die größten Hindernisse in den Weg legen, so gebaut, daß sie erforderlichenfalls durch Umbau des Mittelstreifens und Inanspruchnahme der Standspuren auf 6 Fahrspuren gebracht werden können, ohne daß komplizierte Eingriffe in wesentliche Konstruktionsteile der Bauwerke erfolgen müssen.
Wenn sich auch bei den Anschlußstellen keine neuen Formen abzeichneten, so verdient doch darauf hingewiesen zu werden, daß für die Kreuzung der Sauerlandlinie mit der künftigen BAB-Strecke Koblenz – Gießen erstmalig in Deutschland eine sog. Stern-Lösung vorgesehen wurde. Ihre Notwendigkeit ergab sich aus den an der Kreuzungsstelle vorhandenen Geländeverhältnissen. Die großen Höhenunterschiede waren mit Kreuzungssystemen herkömmlicher Art nicht wirtschaftlich zu überwinden.
Es ist bekanntlich nicht ohne eine gewisse Problematik, den vekehrlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen einer Straße quantitativ zu erfassen. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, kann jedoch folgendes festgestellt werden:
Die Sauerlandlinie verkürzt die Entfernung aus dem Raum Norddeutschland und aus dem östlichen Ruhrgebiet nach Frankfurt und weiter nach Süddeutschland um etwa 15 %. Hatten die Kraftfahrer bisher von Hagen über die BAB-Strecke Leverkusen – Kamen und die BAB-Strecke Köln – Frankfurt bis Frankfurt 250,0 km zu fahren, so hat sich ihre Fahrstrecke jetzt um rd. 37 km auf 213,0 km verringert.
Außerdem haben die Verkehrsteilnehmer für die Fahrt eine der modernsten Autobahnstrecken zur Verfügung, die von Verkehrsstockungen wegen Überlastung, wie sie z.Z. auf der parallel verlaufenden BAB-Strecke Köln – Frankfurt immer wieder hingenommen werden müssen, frei sein wird. Die Fahrzeit wird sich dadurch noch weiter verkürzen. Sekundär wird die neue Autobahnstrecke auch zu einer Entlastung der BAB-Strecke Köln – Frankfurt beitragen.
Die sauerländische und die siegerländische Industrie sowie die Industrie im Lahn-Dill-Gebiet und die Bewohner der gesamten von der neuen Autobahn berührten Gebiete erhalten eine, verglichen mit den bisherigen Möglichkeiten außerordentlich gute Verbindung mit Nord- und Süddeutschland. Daraus dürften sich für die Zukunft neue wertvolle Impulse für dieses bisher etwas im Verkehrsschatten gelegene Gebiet ergeben.
Die bisherigen Streckenverbindungen werden künftig fast nur noch dem zwischenörtlichen Verkehr dienen. Die Belastung dieser Straßen und die daraus erwachsenden Belästigungen in den zahlreichen engen und winkligen Ortsdurchfahrten werden stark abnehmen, so daß durch den Neubau der Sauerlandlinie auch dem Bevölkerungsanteil Vorteile erwachsen, der selbst als Verkehrsteilnehmer keinen direkten Nutzen aus der neuen Straße zieht.
Nach Fertigstellung der BAB-Strecken Köln – Olpe – Dreieck Hattenbach und Koblenz – Gießen wird dann im Zusammenhang mit der Sauerlandlinie auch die dringend notwendige bessere Anbindung dieses Raumes nach Westen und Osten vorhanden sein.
Die BAB-Strecke Dortmund – Gießen ist dem erwarteten Verkehrsaufkommen in starkem Maße angepaßt. Sie wird ihre verkehrlichen Funktionen auf Jahrzehnte hinaus erfüllen und steht nach ihrer beabsichtigten Verlängerung bis in den Stuttgarter Raum als eine zusätzliche Nord-Süd-Verbindung zwischen den größten Ballungszentren der Bundesrepublik zur Verfügung.
Rückblickend hat sich eine Bauzeit von rd. 10 Jahren ergeben. Zwischenziele von größerem Verkehrswert ließen sich in dem durchfahrenen Gebiet kaum erreichen, so daß die getätigten großen Investitionen von rd. 1,5 Mia. DM erst nach Fertigstellung der Strecke volkswirtschaftlich voll zu Buche schlagen.
Planung und
Bauvorbereitung
Planung und Entwurf
Bereits in den dreißiger Jahren wurde an einem Vorentwurf für eine Nord-Süd-Autobahn zwischen Hagen und Gießen gearbeitet. Aber erst nach dem Kriege wurde dieses Projekt in den fünfziger Jahren wieder aufgegriffen und weiterverfolgt.
In einer verkehrswirtschaftlichen Untersuchung des Ingenieurbüros Kocks in den Jahren 1958/59 wurde die Ausbauwürdigkeit dieser Strecke bestätigt und die generelle Linienführung z. Teil aufgrund umfangreicher Voruntersuchungen in den beiden Bundesländern vorgeschlagen.
In der Folgezeit wurde die Planung dieser rd. 178 km langen Strecke (rd. 115 km in Nordrhein-Westfalen und rd. 63 km in Hessen) von 4 Neubauämtern in Nordrhein-Westfalen und 1 Neubauamt in Hessen durchgeführt. Nach der Bestimmung der Linienführung durch den Bundesminister für Verkehr erfolgte unter Einsatz moderner Hilfsmittel – wie z.B. elektronische Datenverarbeitung und Photogrammetrie – abschnittsweise die Aufstellung der Vorentwürfe für das Genehmigungsverfahren, der Planfeststellungsunterlagen und der Bauentwürfe.
Linienführung
Die BAB Sauerlandlinie beginnt an der BAB Ruhrgebiet – Hannover bei Ickern, umfährt den Stadtkern von Dortmund im Westen und Süden, wird im Westhofener Kreuz mit der BAB Leverkusen – Kamen verknüpft und führt dann östlich an Hagen vorbei.
In diesem Abschnitt wird die Trasse im wesentlichen festgelegt durch die dichte Bebauung des Industriegebietes, durch bergbauliche Einwirkungen, durch die Umgehung des Ardeygebirges und Überquerung des Ruhrtales mit der Durchschneidung des Wassergewinnungsgeländes der Stadtwerke Dortmund und durch die Überquerung des Lennetales bei Hagen-Halden.
Für eine große Anzahl von Anschlüssen 4-spuriger Straßenzüge und Autobahnen mußte in dem dichtbesiedelten Gebiet an geeigneter Stelle genügend Raum zur Verfüngung stehen.
Weiterhin war von bedeutendem Einfluß auf der Trassierung die Vielzahl der zu kreuzenden Verkehrswege, wie Straßen und Eisenbahnen, eine Menge kleinerer Gewässer sowie das dichte Netz der Versorgungsleitungen.
Im Lennetal beginnt die eigentliche Berglandtrassierung. Der Aufstieg vom Lennetal bei 100 m ü. NN bis auf die Höhen des Sauerlandes bei 410 m ü. NN wird mit einer Steigung von maximal 4,0 % bewältigt. Bis Lüdenscheid folgt die Sauerlandlinie dem Höhenrücken zwischen Lenne und Volme. Die Stadt Lüdenscheid wird östlich umgangen.
Bei Lüdenscheid beginnt der Anstieg zum Ebbegebirge, in dem die Sauerlandlinie mit 532 m ü. NN ihren höchsten Punkt erreicht.
Die Sauerlandlinie umgeht Olpe und Siegen im Westen und überspannt das Siegtal mit einer 1050 m langen Brücke in einer Höhe von rd. 102 m über Talsohle. Die Gradiente liegt hier etwa 324 m ü. NN und erreicht mit einem weiteren Hochpunkt von 504 m ü. NN die "Kalteiche" in Hessen.
Abweichend von der Vorkriegstrassierung durch den Westerwald führt die Trasse zur besseren Erschließung des Wirtschaftsraumes Lahn-Dill über die Ausläufer des Westerwaldes zu den Hängen des Dilltales. Die Dill wird dreimal gekreuzt, wobei Haiger im Norden, Dillenburg und Herborn im Westen umgangen werden.
Vom Wetzlarer Kreuz, dem Knotenpunkt mit der geplanten BAB Koblenz – Gießen überquert sie zwischen Gießen und Wetzlar das Lahntal und führt südlich Gießen zum BAB-Dreieck Gambach. Hier erreicht sie bei 205 m ü. NN ihren vorläufigen Endpunkt bevor sie als BAB Gießen – Stuttgart nach Süden fortgesetzt wird.
Trassierung und Querschnitt
Die Trassierung der Sauerlandlinie wird im wesentlichen durch die Topographie und vorhandene Zwangspunkte bestimmt. Bedeutenden Einfluß haben darüber hinaus neben der bestmöglichen Erschließung bedeutender Wirtschaftsräume vor allem zahlreiche weiträumige Wasserschutzzonen und Trinkwassereinzugsgebiete. Wo ein Anschneiden dieser Gebiete nicht zu vermeiden war, wurden umfangreiche bautechnische Maßnahmen erforderlich, um das Straßenwasser schadlos abführen zu können.
Als Besonderheit für die Trassierung der Sauerlandlinie hat sich im nordrhein-westfälischen Bereich eine überwiegende Kammlage herausgebildet. Teilweise mußten die Höhenrücken verlassen werden, z.B. zur Umgehung der Stadt Lüdenscheid, die selbst auf einem Höhenrücken liegt, oder zur Einhaltung der Mindesttrassierungselemente (Aufstieg in das Sauerland südlich Gagen), oder zur günstigeren Erschließung von Wirtschaftsräumen (Lahn-Dill-Gebiet). In diesen Fällen mußte zwangsläufig eine Vielzahl von Bach- und Flußtälern durch Talbrücken überquert werden, die in Nordrhein-Westfalen eine Gesamtlänge von 14,4 km und in Hessen von 8,0 km erreichen.
Bedingt durch diese Einflüsse mußten teilweise die untersten zulässigen Trassierungselemente verwendet werden, so daß sich für die gesamte Strecke folgende Trassierungsgrenzwert ergeben:
min. Grundrißhalbmesser 600 m
min. Kuppenhalbmesser 12000 m
min. Wannenhalbmesser 10000 m
max. Längsneigung 4 %
max. Querneigung 5 %
Entwurfsgeschwindigkeit 120 km/h
Die Sauerlandlinie ist normalerweise nach dem für Autobahnen üblichen Regelquerschnitt mit 30 m Kronenbreite ausgebaut. Der 4,0 m breite Mittelstreifen wurde bei Staffelstrecken entsprechend aufgeweitet.
Zur Überwindung der streckenweise erheblichen Höhenunterschiede waren Steigungsstrecken bis zu 4 % Längsneigung erforderlich. Zwangsläufig ist hierdurch ein starker Geschwindigkeitsabfall für Lastkraftwagen verbunden. Da auf der Sauerlandlinie mit einem starken LKW-Verkehr gerechnet wird, haben die Streckenabschnitte, auf denen die Geschwindigkeit des Schwerverkehrs auf 50 km/h und weniger absinkt zusätzlich 3. Fahrspuren erhalten, wobei aufeinanderfolgende kürzere Steigungsstrecken durchgehend mit dieser zusätzlichen Fahrspur ausgestattet wurden.
Auf den 4- bzw. 5-spurigen Streckenabschnitten sind die Großbrücken konstruktiv so ausgebildet worden, daß später unter Einengung des Mittelstreifens und Mitbenutzung der Standspur ein durchgehender 6-spuriger Ausbau möglich ist.
Anschlußstellen und Knotenpunkte
Im Bereich des Ruhrgebietes verbindet die Sauerlandlinie zwei bedeutende Ostwest-Achsen:
die B 1 (Ruhrschnellweg) und die im Bau befindliche BAB Düsseldorf – Bochum – Dortmund. Diese Straßenzüge werden durch Autobahnkreuze mit der BAB Sauerlandlinie verknüpft.
Die 4-spurig ausgebaute B 54 (Ruhrwaldstraße) schließt den südlichen Raum von Dortmund an.
Das Westhofener Kreuz verknüpft die BAB Leverkusen – Kamen (Ruhrtangente) mit der Sauerlandlinie.
Die Anschlußstelle Ergste an der L 675 schließt den Raum östlich Hagen an. Die Stadt Hagen selbst und der Raum Hohenlimburg – Iserlohn werden durch das Autobahnkreuz Hagen (Verknüpfung der autobahngleichen B 7n) und durch die Anschlußstelle Hagen-Süd (L 1280) angeschlossen.
Die Anschlußstellen Lüdenscheid-Nord (L 1271), Lüdenscheid (L 1267) und Lüdenscheid-Süd (L 694) binden den Raum Lüdenscheid und das Lennetal mit den Städten Altena, Werdohl und Plettenberg an die Sauerlandlinie an.
Der Raum zwischen Lüdenscheid und Olpe mit den großen Erholungsgebieten entlang den dort liegenden Stauseen, wie der Verse-, Lister- und Bigge-Talsperre, sowie dem Erholungsgebiet des Ebbegebirges wird durch die Anschlußstellen Lüdenscheid-Süd, Meinerzhagen (L 539), Drolshagen-Wegeringhausen (L 708) und Olpe (B 54/B 55) erschlossen. Der Raum südlich Olpe wird über die Anschlußstelle der L 512 an der geplanten BAB Köln – Olpe – Nordhessen angebunden, die im AB-Kreuz Olpe/Gerlingen mit der Sauerlandlinie verknotet wird. Für den Raum Freudenberg steht die Anschlußstelle Freudenberg zur Verfügung.
Die Stadt Siegen und das hochindustrialisierte Hüttental werden durch die Anschlußstellen Siegen und Siegen-Süd an die Sauerlandlinie angebunden.
Der Raum südlich Siegen wird durch die Anschlußstellen Siegen-Süd und Wilnsdorf angeschlossen.
Das Grenzgebiet Nordrhein-Westfalen – Hessen sowie der nord-östliche Westwaldbereich von Rheinland-Pfalz erreichen die Sauerlandlinie über die Anschlußstelle Haiger/Burbach.
Für den Raum zwischen Haiger, Dillenburg und Biedenkopf ist die Anschlußstelle Dillenburg bedeutungsvoll, wobei der vorgesehene Ausbau der Bundesstraßen 253 und 277 ihren Nutzen noch erhöht.
Die Anschlußstelle Herborn-West erschließt über die B 255 den Westerwald und bildet einen Anschlußpunkt für die Stadt Herborn mit ihrem Umland.
Die Anschlußstelle Herborn-Süd ist über einen kurzen Zubringer von der B 277 und der L 3046 zu erreichen. Sie liegt zentral in dem Wirtschaftsraum Herborn-Sinn und trägt wesentlich zur Entlastung der im Dilltal nur beschränkt ausbaufähigen B 277 bei.
Das mittlere Dilltal mit dem östlichen Hinterland ist über die L 3052 und einen kurzen Zubringer in der Anschlußstelle Ehringshausen an die Autobahn angebunden.
Das AB-Kreuz Wetzlar stellt die Verbindung zur Autobahn Koblenz-Gießen und über ein Teilstück dieser Autobahn auch die Anbindung des Raumes Wetzlar nach Norden her. Dieses Kreuz weicht von der üblichen Kleeblattform ab. Aus örtlichen Gegebenheiten (Berücksichtigung von Kalkbrüchen) und topographischen Verhältnissen hat sich die gewählte Knotenform mit Direktrampen (Malteser Kreuz) für alle Fahrbeziehungen als wirtschaftlichste Lösung erwiesen.
Der Raum zwischen Gießen und Wetzlar erhält seinen Anschluß über die neu gebaute zweibahnige B 429 in der Anschlußstelle Wetzlar-Ost.
Für die östlichen Randgebiete von Wetzlar und das östlich anschließende Kreisgebiet ist eine Anschlußstelle Lützellinden an der L 3054 geplant. Diese Anschlußstelle wird noch nachträglich erstellt.
Die B 3 neu, die als zweibahnige Schnellstraße zwischen Marburg über Gießen nach Frankfurt geplant und stellenweise bereits ausgeführt ist, wird durch ein Kleeblatt mit der Sauerlandlinie in der Anschlußstelle Gießen-Süd verknüpft. Damit erhält der Raum Gießen nach Süden seine Anbindung.
Die Autobahn Dortmund – Gießen endet vorerst an der vorhandenen Betriebsstrecke Kassel – Frankfurt mit dem Autobahndreieck Gambach. Da auch bei der Weiterführung in Richtung Stuttgart ein sehr starker Eckverkehr von und nach Frankfurt besteht, wurde eine normale Kleeblattlösung von vornherein ausgeschaltet. Die vorgenannten Fahrbeziehungen werden über Direktrampen geführt, wobei die untergeordnete Eckbeziehung von und nach Kassel vorerst nicht angeboten wird.