Geschichte der A27
Die sprunghafte Entwicklung der Motorisierung des Straßenverkehrs nach dem 1. Weltkrieg zwang dazu, die bestehenden Straßen den Erfordernissen des Kraftwagens anzupassen und spezielle Kraftfahrzeugstraßen zu bauen. So entstand in Deutschland schon im Jahre 1924 die Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau ("STUFA"), die der Öffentlichkeit 1928 einen Vorschlag für ein Netz von Autostraßen vorlegte. Aus dieser Studiengesellschaft hatte sich nun wiederum bereits im Jahre 1926 eine Interessengemeinschaft "HAFRABA" gebildet, die die Planung und Entwurfsbearbeitung einer Autostraße vorantrieb, welche die Hansestädte über Hannover und Frankfurt mit Basel verbinden sollte. Aus dieser "HAFRABA" wurde 1933 die "Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahn". Diese Gesellschaft erarbeitete 1933 für das damalige Reichsgebiet ein Grundnetz der Autobahnen von 6000 bis 7000 km Länge, das als Hauptstrecke unter anderem die Nord-Süd-Linie Hamburg – Basel enthielt. Im Endzustand sollte das Autobahnnetz dann einschließlich weiterer Verbindungsstrecken eine Gesamtlänge von 10000 bis 12000 km haben. Im Herbst des Jahres 1933 wurde mit den ersten Arbeiten des geplanten Netzes begonnen, mit der Absicht, jährlich mindestens 1000 km Autobahn fertigzustellen.
Zu den Strecken, die bereits im Jahre 1933 angefangen wurde, zählte als erstes Teilstück der späteren A 27 auch die sogenannte Blocklandlinie, die aus der Reichsautobahn Hamburg – Osnabrück – Ruhrgebiet bei Oyten, südöstlich von Bremen abzweigt und nach Bremerhaven weiterführen sollte. Man war sich von vornherein der großen Schwierigkeiten bewußt, die beim Bau zu überwinden waren. Es mußte das sogenannte Blockland durchquert werden; ein umfangreiches Moorgebiet, das sich an der ganzen Nordseite der Stadt Bremen entlangzieht.
Das weitere Erfordernis, die Autobahn möglichst nahe an der Stadt vorbeizuführen, zwang oft zu harten Eingriffen in Privatbesitz und machte wegen der kreuzenden Verkehrswege vielfach eine hohe Lage der Gradiente erforderlich. Eine Prüfung des einstweilen nach Bremenhaven zu erwartenden Verkehrs ließ es als ausreichend erscheinen, die Autobahn nur bis Osterhagen-Ihlpohl, unweit Burglesum, zu führen und dort in die vorhandene Reichsstraße 6 einmünden zu lassen. Die Autobahn selbst erhielt – abweichend vom damaligen Regelquerschnitt – eine Kronenbreite von 15,00 m mit 4 x 2,90 m breiten Fahrstreifen, einem 0,40 m breiten Mittelstreifen, 2 x 1,00 m breiten befestigten Leitstreifen und 2 x 0,50 m unbefestigten Randstreifen. Sie war 25 km lang und wurde im Jahre 1937 dem Verkehr übergeben.
An diesem Zustand änderte sich nichts, bis nach dem Zweiten Weltkrieg mit der 1. Baustufe (1955 bis 1958) der Bundesfernstraßenbau wieder aufgenommen wurde. In diese Baustufe war auch die noch nicht durchgehend ausgebaute Hafraba-Autobahn (Hamburg – Frankfurt – Basel) aufgenommen worden, deren nördliches Teilstück Hamburg – Hannover – Northeim bis 1962 fertiggestellt sein sollte und damit den ungehinderten Verkehr nach Süddeutschland ermöglichen würde. Aus Wettbewerbsgründen wurde von der Freien Hansestadt Bremen gefordert, daß gleichzeitig mit dem Anschluß Hamburgs and Süddeutschland auch Bremen über den Autobahnstutzen Walsrode – Bremen an die Nordsüdstrecke und damit an die Industriegebiete am Main und in Franken angeschlossen werden müsse. Dieses Verlangen Bremens fand die Zustimmung des Landes Niedersachsen und des Bundes.
Nach der Währungsreform im Jahre 1948 hatte die Produktion von Kraftfahrzeugen in größerem Umfange eingesetzt. 1953 gab es in der Bundesrepublik 1,2 Millionen Personenkraftwagen; Ende 1963 betrug der Bestand etwa 7,7 Millionen und Ende 1980 23,2 Millionen. Diese rasch steigende Motorisierung hatte zur Folge, daß die Bundesstraße 6 – vor allem zwischen Bremen und Hannover – bald hoffnungslos überlastet war und damit der Fernverkehr aus und in Richtung Bremen/Bremerhaven/Cuxhaven nicht mehr gesichert war.
Der Bau des südlichen Teiles der A 27, die Strecke Walsrode – Bremen, wurde von der Straßenbauverwaltung des Landes Niedersachsen als besonders wichtig erachtet und entsprechend dringlich gefördert.
Der Bundesminister für Verkehr erteilte dem Land Niedersachsen für die Strecke Walsrode – Bremen 1956 den Planungsauftrag; mit den Bauarbeiten für diesen rd. 57 km langen Abschnitt wurde im Sommer 1959 begonnen.
Es zeigte sich, daß trotz eifrigen Bemühens der Termin der Verkehrsübergabe im Jahre 1962 nicht einzuhalten war. Es traten Schwierigkeiten bei der Festlegung der Linienführung im Raum Walsrode auf, und die Geldmittel konnten nicht in genügendem Umfang bereitgestellt werden. Bremen hatte sogar 1960, damit die Bauarbeiten auf der Strecke Verden – Bremen nicht zum Stillstand kamen, dem Bund ein zinsloses Darlehen von 5 Mio DM gegeben, was 1961 zurückgezahlt wurde. Die Strecke Achim – Bremen Kreuz konnte dann am 15.11.62, die Strecke Verden – Achim am 15.07.63 und die Reststrecke Walsrode – Verden am 29.07.64 dem Verkehr übergeben werden.
Die geplante Verdichtung des Autobahnnetzes mit der Strecke Walsrode – Bremen, der Hansalinie (A 1) und eines Zubringers "Freihafen" in Bremen ließ erwarten, daß der Verkehr auf der Blocklandstrecke beträchtlich anwachsen würde. Diesem künftigen Verkehr und dem Gewicht der schweren Lastkraftwagen war die alte Autobahn nicht mehr gewachsen. Die Betonplatten waren gerissen, und an den Plattenfugen hatten sich Absätze gebildet. Es ergab sich die Frage, entweder Reparaturarbeiten an dem Unterbau und der Betondecke mit einem hohen Kostenaufwand durchführen zu müssen oder die 15,00 m breite Blocklandautobahn neu zu bauen und hierbei auf den Regelquerschnitt mit 30,00 m Kronenbreite zu bringen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des zu erwartenden starken Verkehrsaufkommens entschied man sich zum Neubau auf den Regelquerschnitt.
Die Aufragsverwaltung des Landes Bremen bat um einen Planungsauftrag für den Neubau, der vom Bundesverkehrsministerium mit Datum des 12.12.63 erteilt wurde. Dies war der Ausgangspunkt für die Erstellung der RE-Entwürfe. Mit den Bauarbeiten konnte am 24.07.68 ab Bremer Kreuz begonnen werden. Einzelne Streckenabschnitte wurden nach Ausbau auf den Regelquerschnitt formlos dem Verkehr übergeben. Die Bauarbeiten bis zur Anschlußstelle "Bremen-Freihafen" waren im Jahre 1972 fertig. Die gesamte Blocklandautobahn wurde bei der Einweihung der Strecke zwischen der Anschlußstelle "Bremen-Freihafen" und der Anschlußstelle "Bremen-Burglesum" feierlich am 18.10.74 dem Verkehr übergeben.
Die Planung für den nördlichen Teil der A 27 zwischen Bremen und Cuxhaven, der die Verlängerung der Blocklandstrecke darstellt – vom Volksmund auch "Schellfischlinie" genannt – begann erst 1963 im Rahmen der gemeinsamen Länderplanungsarbeit der Länder Bremen und Niedersachsen. Das landesplanerische Raumordnungsverfahren für die Teilstrecke Bremen – Bremerhaven leitete man im August 1966 ein. Die Linienbestimmung nach § 16, 1 FStrG erfolgte im August 1968.
Die Autobahnverbindung war für die Stadt Bremerhaven und damit auch für das Land Bremen von großem Interesse, weil den Hafenanlagen für die Zukunft große Bedeutung zugemessen wird. Bremerhaven ist nicht nur der bedeutendste Passagierhafen der Bundesrepublik Deutschland, sondenr auch der größte Fischereihafen und hat auch im Handelshafen einen beträchtlichen Umfang, der jetzt noch durch den Schwergutumschlag des Erzhafens und den Containerhafen vergrößert wird. Einer geplanten Industrieansiedlung auf der niedersächsischen Luneplate könnten besonders günstige Standortverhältnisse verschafft werden. Dies alles bedingte, daß die Autobahn dicht am Stadtgebiet Bremerhaven vorbeigeführt werden müßte. Während zunächst Vorstellungen bestanden, die Autobahn 2 bis 3 km östlich von Bremerhaven auf niedersächsischem Gebiet vorbeizuführen und noch eine besondere Umgehung im Zuge der B 6 auf Stadtgebiet zu bauen, entschied der Bundesminister für Verkehr, daß eine Linie anzustreben sei, welche die Funktion einer Ortsumgehung Bremerhaven übernimmt und die – ggf. ohne Verbindung mit dem Autobahnnetz – Verkehrsbedeutung erhält. Aufgrund dieser Entscheidung brauchten Planung und Bau der Autobahn zwischen Bremen und Bremerhaven nicht mehr abgewartet zu werden. Die Entscheidung wurde vom Lande Bremen bejaht. Die Stadt Bremerhaven schuf die planerischen Voraussetzungen, indem sie die neue stadtnahe Autobahnlinie in den Flächennutzungsplan vom 27.04.67 übernahm.
Mit dem Bau der A 27 im Bereich der Stadt Bremerhaven ist am 23.08.68 begonnen worden. Der 19 km lange Streckenabschnitt beginnt im Süden an der Kreuzung mit der B 6 an der Anschlußstelle Bremerhave-Süd/Nesse und endet im Norden an der Anschlußstelle Debstedt. Anfang und Ende der Ortsumgehung liegen auf niedersächsischem Gebiet. Die Ortsumgehung Bremerhaven wurde feierlich am 18.10.74 zusammen mit dem letzten Ausbauabschnitt der Blocklandstrecke in Bremen dem Verkehr übergeben.