A 8 Albgaulinie Karlsruhe – Stuttgart

(aus: Schefold/Neher (Hrsg.): 50 Jahre Autobahnen in Baden-Württemberg, Stuttgart 1986)

Plan des geplanten Streckenverlaufs

Am 02.12.1968 teilte der Bundesminister für Verkehr dem Innenministerium des Landes Baden-Württemberg mit, daß das den weiteren Ausbauplänen zugrunde liegende Autobahnnetz u.a. um die Verbindung Landstuhl – Pirmasens – Karlsruhe ergänzt werden solle. Damit sollte außer der bestehenden Nord-Süd-Autobahn Köln – Darmstadt – Karlsruhe und der damals in Bau befindlichen linksrheinischen Autobahn Krefeld – Ludwigshafen – Hockenheim eine weitere Verbindung von Aachen über Trier nach Karlsruhe und weiter nach München bzw. Basel geschaffen werden. Für die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg stellte sich dabei die Frage, wo bzw. wie die ankommende Autobahn an das bestehende Autobahnnetz angeschlossen werden könnte. Ein Anschluß im Bereich des Autobahndreiecks Karlsruhe mit gleichzeitigem Umbau desselben zu einem Autobahnkreuz war wegen der vorhandenen Bebauung nicht möglich. Ein Anschlußpunkt war daher weiter südlich zu suchen. Gleichzeitig stellte der BMV die Frage, ob dann nicht am zweckmäßigsten von diesem Anschlußpunkt aus in östlicher Richtung eine völlig neue Autobahn gebaut werden sollte, die etwa im Raum Pforzheim wieder in die vorhandene BAB Karlsruhe – München einmünden könnte. Die Absicht war, die vorhandenen stark frequentierten Autobahnen im unmittelbaren Bereich der Stadt Karlsruhe sowie die steigungsreiche Strecke zwischen Karlsruhe und Pforzheim zu entlasten. Der BMV beauftragte das Land Baden-Württemberg, die notwendige Untersuchung vorzunehmen.

Am 20.05.1969 legte das Autobahnamt dem Innenministerium eine Voruntersuchung über die Linie der Entlastungsautobahn vor. Dabei wurden zwei Linien miteinander verglichen, nämlich eine südlich und eine nördlich von Karlsruhe bzw. von Pforzheim verlaufende Trasse.

Die südliche Linie schließt an die Planung der Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz an, die Pläne hierfür waren dem Autobahnamt in einer Besprechung am 18.02.1969 übergeben worden. Auf der Pfälzer Seite verläuft die Trasse ab Pirmasens im Süden des Landes Rheinland-Pfalz und wird südlich des Nbienwaldes in unmittelbarer Nähe der Bundesgrenze zu Frankreich geführt. Die Trasse überquert den Rhein – wie auch heute noch die geplante A 65 – bei Strom-km 353,3 südlich von Neuburg zwischen Neuburgweier und Au am Rhein, kreuzt die B 36 zwischen Mörsch und Durmersheim und wird mit der A 5 Karlsruhe – Basel verknüpft. Im weiteren Verlauf, der nachher noch näher beschrieben wird, erreicht die Trasse die Höhen des nördlichen Schwarzwaldes, führt südlich von Pforzheim weiter und schließt an die A 8 Karlsruhe – München bei Wimsheim an.

Die nördliche Linie sollte nördlich von Karlsruhe und nördlich von Pforzheim verlaufen. Die Linienführung setzte jedoch voraus, daß die Trasse von der Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz abgenommen und im Raume Jockgrim/Kandel an die Nordseite des Bienwaldes weitergeführt werden kann, so daß sie dann südlich von Bergzabern an die von Rheinland-Pfalz ausgearbeitete Planung angeschlossen werden kann. Diese Trasse überquert den Rhein bei Strom-km 368,0, kreuzt zwischen Eggenstein und Neureut die alte B 36, durchquert den nördlichen Hardtwald, wird südlich von Weingarten über die A 5 Heidelberg – Karlsruhe geführt und steigt dann im Mauertal auf den Nordabfall des Schwarzwaldes. Die Trasse kreuzt dann die Eisenbahnlinie Karlsruhe – Bretten südlich der Orte Jöhlingen und Wössingen, kreuzt östlich von Göbrichen die B 294, überquert unterhalb von Kieselbronn das Enztal etwa 30 m über dem Tal und wird vor der Tank- und Rastanlage Pforzheim-Ost bei Betr.-km 238 an die A 8 Karlsruhe – München angeschlossen. Diese nördliche Linie wurde ausgeschieden, weil sie nicht der Planung des Landes Rheinland-Pfalz entsprach, weil sie die Bebauungsgebiete im Raume Karlsruhe durchschneidet, mehrere Wasserschutzgebiete auf badischer und Pfälzer Seite beeinträchtigt und weil sowieso vorgesehen war, den Linienzug B 10/B 35 zweibahnig auszubauen. Entgegen der Auffassung der regionalen Planungsgemeinschaft Nördlicher Schwarzwald, die sich für die nördliche Variante ausgesprochen hatte, entschied sich das Innenministerium für die südlich Variante und beauftragte das Autobahnamt, die südlich der A 8 liegende Trasse Karlsruhe – Pforzheim in bautechnischer Hinsicht weiter zu untersuchen.

Mittlerweile war die geplante A 76 in den Bedarfsplan vom 30.01.1970 aufgenommen worden. Sie sollte die Autobahn Trier – Landstuhl in südlicher Richtung verlängern, bei Pirmasens mit der von Saarbrücken kommenden B 10 verknüpft werden und weiter zum Kreuzungspunkt nördlich Karlsruhe führen.

Auf baden-württembergischem Gebiet wurde die v.g. südliche Linie in den Bedarfsplan eingetragen. Die Strecke war in Dringlichkeit II eingereiht, im Bereich zwischen Pforzheim und Stuttgart erst in Dringlichkeit III.

Entsprechend der Weisung des Innenministeriums arbeitete das Autobahnamt 5 Varianten aus. Gemeinsam war allen 5 Varianten, daß die Saarlandlinie – wie schon beschrieben – südlich von Karlsruhe den Rhein zwischen Neuburgweier und Au am Rhein auf Höhe 107 m NN überquert. Nördlich von Durmersheim gabeln sich die verschiedenen Varianten, kreuzen die A 5 Karlsruhe – Basel im Raume Bruchhausen/Malsch auf Höhe 125 m NN, erreichen ostwärts von Malsch bzw. Sulzbach die Vorbergzone und steigen dann mit 4% auf die Höhen des nördlichen Schwarzwaldes. Die 5 Varianten erstrecken sich in diesem Aufstiegsbereich über ein Gebiet von 8 km Breite, das durch die Ortschaften Spessart, Schöllbronn, Völkersbach und Freiolsheim gekennzeichnet ist. Dabei werden Scheitelpunkte erreicht, die zwischen 320 m NN und 415 m NN liegen. Das Albtal wird mit einer 720 m langen und 110 m hohen Brücke übersprungen. Nach Erreichen der Schwarzwaldhöhen bündeln sich die Varianten wieder zu einer Linie, die unmittelbar nördlich von Neuenburg vorbeiführt, das Enztal südlich von Birkenfeld mit einer 800 m langen und 150 m hohen Brücke, das Nagoldtal südlich von Büchenbronn und Huchenfeld mit einer 880 m langen und 160 m hohen Brücke und schließlich das Würmtal südlich von Würm mit einer 760 m langen und 130 m hohen Brücke überquert. Kurz danach wird bei Betr.-km 231 südwestlich von Wimsheim die A 8 auf Höhe 500 m NN erreicht bzw. – bei einer späteren Weiterführung in Richtung Gerlingen und Stuttgart – diese A 8 gekreuzt.

Die Länge der südlichen Variante (Variante 1) beträgt 51 km, die Kosten hierfür werden mit 370 Mio. DM veranschlagt. Dem gegenüber hat die nördliche Variante (Variante 2) nur eine Länge von 39 km und einen Kostenaufwand von 292 Mio. DM. Hieraus ergab sich ein km-Preis für die Variante 1 mit 7,25 Mio. DM und für die Variante 2 mit 7,50 Mio. DM.

Die an die beschriebene Linie anschließende Weiterführung der A 76 über Wimsheim hinaus in den Raum Leonberg/Ditzingen/Gerlingen wurde nicht näher untersucht, da dieser Abschnitt der geplanten A 76 – wie schon erwähnt – erst in Dringlichkeit III eingeordnet war.

Die geplante Entlastungsautobahn hätte schwerwiegende Eingriffe in die Landschaft mit sich gebracht. Große Waldaufhiebe wären erforderlich geworden, die v.g. Überquerungen des Albtals, des Enz-, Nagold- und Würmtals hätten außergewöhnlich große Einschnitte verursacht. So wandten sich bereits 1969 die Forstdirektion Nordbaden, 1970 der Touristenverein "Die Naturfreunde" und der Landesjagdverband gegen die Planung. Ebenfalls 1970 formierte sich eine "Bürgeraktion zur Erhaltung des Naherholungsgebietes Albgau" in Karlsruhe, die die Entlastungsautobahn als unvereinbar mit der ökologisch vielfältigen Landschaft des Albgaues bezeichnete. Die Regionale Planungsgemeinschaft und die Gemeinden lehnten die Planung ab. Auch die Stadt Karlsruhe wandte sich energisch gegen eine Durchquerung des Albgaues und stimmte lediglich zu, die Autobahn von Pirmasens kommend bis zur A 5 bei Bruchhausen zu führen. Als Alternative wurde ein 6- bis 8spuriger Ausbau der bestehenden A 8 Karlsruhe – Stuttgart genannt.

In den folgenden Jahren fand zwar ein umfangreicher Schriftverkehr in grundsätzlichen wie auch in Einzelfragen statt, jedoch konnte die Planung vom Autobahnamt wegen anderer, vordringlicherer Aufgaben nicht mehr intensiv weiterbetrieben werden. Im März 1973 hatten die Städte Karlsruhe und Pforzheim, der Landkreis Karlsruhe sowie Bürgeraktionen in Karlsruhe und Pforzheim das Ing.-Büro für Verkehrswesen Dr. R. Köhler und Dipl.-Ing. Leutwein, Karlsruhe, beauftragt, das Bundesfernstraßennetz im Raum Karlsruhe zu überprüfen. Das Gutachten, das im Okt. 1973 vorgelegt wurde, kam zu dem Ergebnis, daß unter gewissen Voraussetzungen die Notwendigkeit des Baues einer Entlastungs-Autobahn durch die Naherholungsräume Nördlicher Schwarzwald mit Albgau, Oberer Pfinzgau und Höhenrücken zwischen Enz, Nagold und Würm aus Belastungsgründen nicht nachweisbar sei. Dementsprechend wurde vom Autobahnamt mit Bericht vom 21.11.1974 vorgeschlagen, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das den Nachweis erbringen sollte, daß auf die geplante Entlastungsautobahn aus verkehrstechnischen Gründen verzichtet werden kann und daß eine Nutzen-Kosten-Analyse zugunsten eines 6spurigen Ausbaues der bestehenden A 8 spricht. Der BMV teilte jedoch mit Schreiben vom 22.04.1975 mit, daß eine solche Verkehrsuntersuchung für die – nunmehr A 82 genannte - Entlastungsautobahn nicht notwendig sei, da die A 8 zwischen Karlsruhe und Stuttgart in das Erneuerungsprogramm für den 6spurigen Ausbau aufgenommen worden und der Bau der Entlastungsautobahn, wenn überhaupt, erst in einem späteren Zeitraum zu realisieren sei.

Im November 1976 teilte dann Ministerpräsident Dr. Filbinger der Presse mit, daß das Projekt aufgegeben worden sei und man sich nun auf einen 6spurigen Ausbau der bestehenden Autobahn Karlsruhe – Stuttgart konzentrieren müsse.

Durch die Planung der A 76 war Personal des Autobahnamtes (Köhler, Beier) jahrelang gebunden worden. Ein umfangreicher Schriftverkehr mußte geführt werden, zahlreiche Trassenvorschläge waren nach Lage und Höhe i.M. 1:10.000 sowie hinsichtlich ihrer Kosten und ihrer Wirtschaftlichkeit auszuarbeiten. Nun wurden die Akten der geplanten A 76 geschlossen und in die Altregistratur eingereiht.

Lediglich die Linienführung der A 76 zwischen der Brücke über den Rhein und der A 5 sollte weiter untersucht und soweit festgelegt werden, daß die Linienführung für diesen Abschnitt nach § 16 FStrG hätte bestimmt werden können.

Im 2. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen vom 25.08.1980 wurde die nunmehr A 8 genannte Strecke Pirmasens – Karlsruhe nicht mehr in den Bedarfsplan aufgenommen, sondern als Vorbehaltsstrecke ausgewiesen. Mittlerweile wurde ganz auf diese geplante Strecke verzichtet. Statt dessen soll die A 65 von der heutigen Anschlußstelle Kandel-Süd (8 km westlich von Karlsruhe-Maxau) weitergeführt werden bis zur Überquerung des Rheins südlich von Neuburg. Von da ab bis zur Verknüpfung mit der A 5 südlich von Bruchhausen ist dann die Linie der A 65 identisch mit der der früheren A 76. Doch auch für diese A 65 konnte bis heute ein Linienbestimmungsverfahren nicht erreicht werden, da sich immer neue Schwierigkeiten ergeben hinsichtlich der Durchquerung des Rheinauenwaldes, der Tangierung der Orte Mörsch, Neuburgweier, Au am Rhein und Durmersheim sowie der Durchfahrung des geschlossenen Gebietes des Hardtwaldes westlich von Bruchhausen bzw. der A 5.

Ein Ende ist nicht abzusehen, zumal eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die für beide Streckenteile links und rechts des Rheins 1983 – 1985 ausgearbeitet wurde, erhebliche Beeinträchtigungen, vor allem im Bereich des Biotopschutzes (Feuchtgebiete, Naturschutzgebiete), der Waldfunktionen sowie der Naherholung, aufgezeigt hat.